Ausgesprochen Alt. Der Antike Podcast

Folge 33: Praxiteles und seine Werke – Ist das Kunst oder kann das weg?

Praxiteles war ein Bildhauer aus Athen, der in der Spätklassik (~400-330 v. Chr.) aktiv war und heute wie damals ziemlich berühmt für seine Skulpturen war. Von ihm haben wir eines der wenigen griechischen Originale aus der Antike überliefert: Den Hermes von Olympia. Aber was ist eigentlich Original und was Kopie? Und was macht einen Künstler aus? 

Folge 33 von Ausgesprochen Alt. 

Über diese Werke von Praxiteles sprechen wir:

Hermes mit dem Dionysosknaben (Hermes von Olympia bzw. Hermes des Praxiteles) 

  • 340/330 v. Chr., Originalwerk des Praxiteles, Olympia, parischer Marmor, 2,13m
  • Vergleichsbeispiel mit Traubenbüschel: Wandmalerei 1. Jh. n. Chr. aus der Casa del Naviglio in Pompeji
  • 1877 wurde die Statuengruppe bei den Ausgrabungen am Heratempel in Olympia gefunden
  • Im fünften und sechsten Buch seiner Reisegeschichte behandelt Pausanias (um 115 – um 180 n. Chr.) Olympia. Im Heraion erwähnt er zunächst einige Werke archaischer Zeit und kommt danach auf Bildwerke zu sprechen, die ursprünglich nicht im Heraion (Heratempel) aufgestellt waren:

„Später stellte man auch andere Statuen im Heraion auf, so einen Hermes aus Marmor; er trägt den kleinen Dionysos und ist ein Werk des Praxiteles.“

Pausanias, 5,17,3
Hermes mit dem Dionysosknaben, unrestaurierter Zustand, Bild: gemeinfrei

Apollon Sauroktonos (Eidechsentöter)

  • 350 v. Chr., Aufstellungsort unbekannt z.B. römische Kopie im Louvre  (Paris, Inv. Ma 441), Datierung der Kopie: 1. Jh. n. Chr., 1,49 m; oder römische Kopie im Vatikan Inv. 264
  • Erhalten in zahlreichen Kopien (wohl 14 Statuen & Torten, 13 Köpfe, mehrere Statuetten und Umbildungen) 
  • Beliebtheit in Kaiserzeit zeigt sich auch als Typus auf Gemmen und Münzen

„Er (also Praxiteles) schuf auch einen jugendlichen Apollon, der einer herankriechenden Eidechse mit einem Pfeil ganz aus der Nähe nachstellt. Diesen Apollon nennt man Sauroktonos, Eidechsentöter.“

Plinius der Ältere. Naturalis historia 34, 69-70
Apollon Sauroktonos, Römische Marmorkopie im Louvre, Bild: gemeinfrei

Der Apollon Sauroktonos bei Arachne.

Aphrodite von Knidos

  • 350/340 v. Chr., ursprüngl. Aufstellungsort: Knidos,  z.B. Ludovisi Kopie Rom Inv. No. 8619
  • erste komplett nackte Darstellung der Göttin in der Großplastik, begründet den Typus der Venus pudica in der antiken Kunst
  • überliefert in zahlreichen römischen Kopien (Vgl. für einen Überblick die Einträge in Arachne)

„Das Zeitalter des Praxiteles, der sich im Ruhm seiner Marmorarbeiten sogar selbst übertraf, haben wir schon bei den Bildgießern erwähnt [34,50.69]. Seine Werke befinden sich in Athen auf dem Kerameikos; aber an erster Stelle aller Werke, nicht nur derer des Praxiteles, sondern auf dem ganzen Erdkreis, steht seine Aphrodite, zu der viele nach Knidos fuhren, um sie zu sehen. Er hatte zwei (Statuen dieser Göttin) geschaffen – die eine davon in verhüllter Gestalt – und verkaufte sie gleichzeitig. Die Koer, welche bei gleichem Preis die Wahl hatten, zogen diese vor, weil sie glaubten, daß sie der Sittenstrenge und Keuschheit (besser entspräche). Die Knidier aber kauften die zurückgewiesene Statue, und diese ragte durch ihre (spätere) Berühmtheit in hohem Maße hervor. König Nikomedes wollte sie später den Knidiern abkaufen, wobei er versprach, die ganze Staatsschuld, die ungeheuer war, begleichen zu wollen. Sie wollten aber lieber alles ertragen, und nicht mit Unrecht; denn durch jene Statue hat Praxiteles Knidos berühmt gemacht. Ihr kleiner Tempel ist ringsum ganz offen, so daß das Bild der Göttin von allen Seiten betrachtet werden kann, das, wie man glaubt, mit ihrem Segen verfertigt wurde. Von welcher Seite auch immer man sie sieht: sie verdient gleiche Bewunderung. Man berichtet, daß einer, der von Liebe ergriffen war, sich nachts verborgen hielt, das Standbild umarmte und als Beweis seiner Begierde einen Flecken hinterließ.“

Plinius der Ältere, Naturalis Historia 36, 20-21
Aphrodite von Knidos, römische Marmorkopie in der Sammlung Ludovisi, Bild: gemeinfrei

Typische Merkmale der Skulpturen des Praxiteles: 

  • S-Schwung 
  • Motiv des Aufstützens 
  • Weiche Modellierung der Oberfläche
© Ausgesprochen Alt

Praxiteles’ Künstlersignaturen

  • Künstlersignatur von Praxiteles auf Statuenbasis von Kleiokrateia (Athener Agora), ca. 360/50 v. Chr., Inv. 4165
  • Dazu S. Tracy, (Thema: Künstlerhände unterscheiden bei Steinmetzen, sog. letter cutter) z.B.  ders., The Statue Bases of Praxiteles Found in Athens, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 167 (2008), 27-32 (hier online)

Zur Meisterforschung:

  • H. Wölfflin: Kunstgeschichte ohne Namen (H. Wölfflin, In eigener Sache (1920), in: Ders., Gedanken zur Kunstgeschichte, 41957, 15-18)
  • R. Carpenter: Skulpturen als unpersönliche Produkte eines unpersönlichen Handwerks (‘as an anonymous product of an impersonal craft’) (R. Carpenter, Greek Sculpture, Chicago 1960)

John Beazley & das Corpus Vasorum Beazley Archive

Weiterführende Literatur: 

Keinesfalls vollständig, aber ein paar Hauptwerke oder Empfehlungen. 

  • C. Blümel, Der Hermes eines Praxiteles (Baden-Baden 1948)
  • A. Corso, The Hermes of Praxiteles, NumAntCl 25, 1996
  • A. Corso, The art of Praxiteles. The development of Praxiteles’ workshop and its cultural tradition until the sculptor’s acme (364–1 BC), Studia archaeologica 133 (Rom 2004)
  • A. Corso, The art of Praxiteles I—V, Studia archaeologica
  • C. M. Havelock, The Aphrodite of Knidos and Her Successors, 1995 
  • T. Kraus, Die Aphrodite von Knidos (1957)
  • S. Mancuso, Im Spiegel der Kopie. Die Repliken des Apollon Sauroktonos des Praxiteles, in V. Brinkmann (Hrsg.): Zurück zur Klassik. Ein neuer Blick auf das Alte Griechenland. Ausstellungskatalog Liebieghaus Skulpturensammlung (München 2013) 213–229
  • R. Neudecker, “Praxiteles”, in: Der Neue Pauly, Herausgegeben von: Hubert Cancik, Helmuth Schneider (Antike), Manfred Landfester (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte). Consulted online on 29 July 2021 <http://dx-doi-org.uaccess.univie.ac.at/10.1163/1574-9347_dnp_e1007850 >
  • R. Preisshofen, Der Apollon Sauroktonos des Praxiteles, AntPl 28 (München 2002) 41-115 Taf. 21-64