Ausgesprochen Alt. Der Antike Podcast

Folge 34: Wie läuft’s in der Schule? Bildung in der Antike mit Julian Schneider

Heute kann beinahe jede*r lesen. Doch wie war das eigentlich in der griechischen Antike? Konnte die normale Bevölkerung lesen und schreiben? Wo und wie wurden die antiken Griechen unterrichtet, was für Fächer standen auf dem Stundenplan? Und wie war das mit den Griechinnen – gab es Bildung für Frauen? Julian Schneider erzählt uns in dieser neuen Folge von „Antiker Alltag“, wie es um die Alphabetisierung im antiken Griechenland stand.

Folge 34 von Ausgesprochen Alt.

Über diese Quellen sprechen wir diese Folge:

Antiphon über die Erziehung als ‚Samen‘

„Höchste Priorität kommt unter den menschlichen Aktivitäten meines Erachtens der Erziehung zu. Denn wenn in irgendeiner Sache ein richtiger Anfang gemacht wird, dann scheint es doch, dass auch das Ende richtig wird. So wie man in den Boden die Saat einsät, so muss er auch zu ernten erwarten. Und wenn jemand in einen jungen Körper die Erziehung einsät, wird diese leben und das ganze Leben hindurch blühen, und weder Regen noch Trockenheit wird sie zerstören.“

Antiph., Diels – Kranz 87 B60 (Übersetzung H. Diels, W. Kranz)

Antiphon (5. Jh. v. Chr., evtl. Lehrer des Thukydides) war Sophist, er unterrichtete als Wanderlehrer in verschiedenen Städten gegen Bezahlung (v.a. in Athen) und war Verfasser rhetorischer Schriften.

Plat. Prot. 325c–326c über die Erziehung im Haus und den Schulbesuch

„Solange sie leben, belehren die Väter ihre Kinder und weisen sie zurecht, und zwar vom frühesten Kindesalter an. Sobald ein Kind versteht, was man sagt, bemüht sich die Amme, die Mutter, der Erzieher und auch der Vater selbst darum, dass das Kind möglichst gut ist, indem sie es bei jeder Tat und bei jedem Wort belehren und ihm zeigen, dass dies gerecht ist, jenes aber ungerecht, dies gut, jenes schlecht, dies gottgefällig, jenes gottlos, und sie sagen: ‚Dies tu, jenes aber lass sein!‘ Und wenn das Kind von sich aus gehorcht, (ist‘s gut), sonst aber biegen sie es wie ein verdrehtes und krummes Stück Holz durch Drohungen und Schläge gerade. Wenn sie später ihre Kinder in die Schule schicken, legen sie viel mehr Wert darauf, dass sie mit Sorgfalt zu Anstand erzogen werden als dass sie lesen und schreiben und Musik lernen. Und auch die Lehrer bemühen sich darum, und wenn die Kinder dann die Buchstaben gelernt haben und gerade dabei sind, Geschriebenes zu verstehen wie vorher Gesprochenes, legen sie ihnen als Lesestoff die Werke guter Dichter auf ihre Schulbänke und lassen sie diese auswendig lernen, Werke, in denen viele Mahnungen enthalten sind, viele lobende Erzählungen und Preislieder über vortreffliche Männer der Frühzeit, damit das Kind sie eifrig nachahmt und auch so werden möchte. Die Musiklehrer wiederum tun Vergleichbares mit andere Mitteln; sie bemühen sich um die Besonnenheit der jungen Leute und darum, dass sie nichts Übles tun. Außerdem machen sie die jungen Leute, sobald sie gelernt haben, die Kithara zu spielen, mit den Werken anderer guter Dichter vertraut, nämlich der Lyriker, indem sie deren Gedichte für die Kithara vertonen, und sie lassen Rhythmus und Harmonie in den Seelen der Kinder heimisch werden, um sie zu veredeln, damit sie dann, durch Rhythmus und Harmonie besser gebildet, befähigt sind, sowohl zu reden als auch zu handeln. Denn jeder Mensch bedarf in seinem Leben des rechten Rhythmus und der rechten Harmonie. Ferner schicken die Väter ihre Kinder zusätzlich in den Sportunterricht, damit sie dadurch, dass sie körperlich in besserer Verfassung sind, ihre geistigen Bestrebungen fördern, soweit diese in Ordnung sind, und damit sie nicht zwangsläufig mutlos werden wegen der schlechten Verfassung ihrer Körper, sei es nun im Krieg oder in andern Unternehmungen. Und das machen die, die am besten in der Lage dazu sind, am besten – am besten aber sind die Reichen dazu in der Lage –, und deren Söhne fangen am frühesten an, die ihrer Altersstufe entsprechende Schule zu besuchen, und hören am spätesten damit auf.“

Plat. Prot. 325c–326c (Übersetzung K. und G. Bayer)

Schulszene des Douris-Malers

Attische Trinkschale, ca. 480 v. Chr., Douris-Maler, FO: Caerae (Italien), Berliner Antikensammlung F 2285

© Foto: Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Die Schale zeigt eine Darstellung schulischer Szenen. Männliche Schüler stehen vor den auf Hockern sitzenden bärtigen Lehrern, die die Schüler verschiedene Dinge lehren. Zum Beispiel das Schreiben mit einem Griffel auf einer Wachstafel, das Kithara- oder Doppelaulos-Spiel. Zentral ist auch ein Lehrer dargestellt, der eine Schriftrolle hält und zum Rezitieren von Versen aufruft. (Text auf der Schriftrolle übersetzt: „Muse, für mich (sei da)! Vom Skamander, dem wohlfließenden, beginn ich zu singen.“ (Übersetzung M. Steinhart))

Vgl. dazu die Douris-Schale im Beazley Archive mit weiterführenden Informationen und Literaturliste.

Aristophanes über die Bildung eines Wursthändlers

Doch, Bester, ich verstehe ja von Bildung nichts,
Kann höchstens lesen, und auch das noch schlecht genug.“

Aristoph. equ. 188–189 (Übersetzung P. Rau)

Aristophanes war ein berühmter attischer Komödiendichter aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr.

Ostraka als Beweis der Schriftlichkeit der Bevölkerung


Attalos-Stoa, Griechenland, GR, Agora-Museum. Inv.-Nr.: P 9950

Für die Frage nach der Alphabetisierung und Schriftlichkeit der Bevölkerung können sogenannte Ostraka, besondere Tonscherben aus Athen, als Quellen hinzugezogen werden. Mehr als 10.000 Tonscherben aus Athen dokumentieren  das „Scherbengericht“ (Ostrakismos), das seit den Reformen des Kleisthenes bestand (508/7 v. Chr.). Es war ein Mechanismus der attischen Demokratie, um eine illegitime Alleinherrschaft zu verhindern. Einmal jährlich konnte jeder attische Bürger auf eine Scherbe einen Namen schreiben und welche Person so mit mindestens 6000 Stimmen gewählt wurde, wurde für 10 Jahre aus der Stadt verbannt. Das Einritzen des Namens auf jenen Tonscherben setzt rudimentäre Kenntnisse der Schrift voraus, die in Einklang mit Aristoph. equ. 188–189 stehen; wenngleich es natürlich auch möglich war einen Freund zu fragen, der den Namen für einen schrieb. Das legt beispielsweise ein Hortfund nahe, in dem 190 Ostraka gegen Themistokles enthalten sind, die nur von 14 verschiedenen ‚Händen‘ geschrieben worden sind.

Vgl. dazu Hortfund im Kerameikos: eine Auswahl von Ostraka aus Feinkeramik gegen Megakles und Themistokles (Weitere Infos über das Forschungsprojekt der Uni Gießen)

Bildung von Frauen bei Menander

„Wer einer Frau die Schriftzeichen gut lehrt, der verschafft einer schrecklichen Schlange zusätzliches Gift. “

Men. fr. 702 Kock (Übersetzung Julian G. Schneider)

Menander war ein Dichter der neuen Komödie (342/1–291/0 v. Chr.) aus Athen von dem zahlreiche Werke überliefert sind.

Bildung von Frauen bei Theophrast

„Von größter Notwendigkeit scheint für die Frauen der Unterricht der Schriftzeichen zu sein und diese im Rahmen des Nützlichen für die Haushaltführung; die zusätzliche Perfektionierung aber (d. h. der Lese- und Schreibfähigkeiten) macht sie in anderer Hinsicht wilder, geschwätzig und vorlaut.“

Theophr. bei Stob. 2,31,31 (Übersetzung Julian G. Schneider)

Hellenismus: Sog. Schulstiftung des Polythrous von Teos

„Damit aber alle freigeborenen Kinder so erzogen werden, wie es Polythrous, der Sohn des Onesimos, in weiser Vorsorge dem Volke in seiner Verkündigung ausgesprochen hat, indem er [sich selbst] ein schönes Denkmal seiner Ruhmliebe errichtete, und zu diesem Zwecke 34000 Drachmen gegeben hat, so sollen jedes Jahr bei den Wahlen nach der Wahl der Staatsschreiber drei Elementarlehrer gewählt werden, welche die Knaben und die Mädchen unterrichten sollen. […] Es sollen auch zwei Turnlehrer gewählt werden […]. Es soll ferner ein Kitharaspieler, der mit dem Plektron, oder einer, der mit den Fingern die Kithara spielt, gewählt werden […]. Einen Fechtmeister und einen, welcher im Bogenschießen und Speeiwerfen unterrichten kann, sollen der Paidonomos und der Gymnasiarch vorbehaltlich der Bestätigung durch die Volksversammlung anstellen. […] Die Schulprüfungen aber, welche früher im Gymnasion abzuhalten waren, sollen die Elementarlehrer und der Musiklehrer im Rathaus abhalten […].“

Syll.3 578 Ζ. 3–34 (Übersetzung nach E. Ziebarth)

Teos ist eine ionische Polis an der kleinasiatischen Küste. Die hellenistische Quelle zeigt, dass Bildung nun staatlich finanziert wird und dass auch Mädchen daran teilnehmen können. Im weiteren Verlauf der Quelle werden zudem sehr unterschiedliche Gehälter der Lehrer genann: Musiklehrer 700 Drachmen, Elementarlehrer 500–600 Drachmen, Turnlehrer 500 Drachmen, Fechtmeister 300 Drachmen, Trainer im Bogenschießen und Speerwurf 250 Drachmen.

Quelleneditionen und Übersetzungen

  • Aristophanes, Komödien I. Griechisch und deutsch, übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Peter Rau, Darmstadt 2006.
  • H. Diels, W. Kranz (Hrsg.), Die Fragmente der Vorsokratiker II. Griechisch – Deutsch, Berlin 171989.
  • W. Dittenberger, Sylloge Inscriptionum Graecarum, Leipzig 31915–1924.
  • C. Wachsmuth, Ioannis Stobaei Anthologium I, Berlin 1884.
  • Th. Kock, Comicorum Atticorum Fragmenta III, Leipzig 1888.
  • Platon, Protagoras. Anfänge politischer Bildung, griechisch – deutsch herausgegeben, übersetzt und erläutert von Karl und Gertrud Bayer, Düsseldorf 2008.
  • M. Steinhart (Hrsg.), Griechische Inschriften als Zeugnisse der Kultirgeschichte. Griechisch – deutsch, Berlin/Boston 2017.

Bildquellen

Ein wichtiger Bestandteil der Bildung in der Antike war das Rezitieren berühmter Dichter. Ganz vorne dabei war Homer, der Schöpfer der berühmten „Ilias“ und „Odyssee“ über den wir in unserer 5. Folge schon mal gesprochen haben: Der Dichter Homer – immer und überall berühmt (Ausgesprochen Alt)