Ausgesprochen Alt. Der Antike Podcast

Folge 39: Arbeit ist das halbe Leben! Antikes Arbeiten mit Julian Schneider

Zurück an die Arbeit! Julian Schneider ist wieder zu Gast und berichtet uns diesmal vom antiken Arbeitsleben. Denn dass Arbeit nerven könnte, dachten schon die alten Griechen. So bezeichnete der Dichter Hesiod diese als Strafe der Götter. Doch welche Berufe gab es damals? Vom Schuhverkäufer über den Landarbeiter, bis hin zu Schmied und Weberin ist viel dabei. In einer neuen Folge aus der Reihe „Antiker Alltag“ sprechen wir über das Arbeitsleben in der Antike, über den Stolz der arbeitenden Bevölkerung und über Lohngleichheit in Athen.

Folge 39 von Ausgesprochen Alt.

Über diese Quellen sprechen wir diese Folge:

Auffassung der Arbeit als Strafe bei Hesiod

„Denn verborgen halten die Götter den Menschen die Nahrung,
Leicht ja werktest du sonst an einem Tage so vieles,
Daß du Genüge hättest ein Jahr auch ohne zu werken.
Schleunig hängtest du dann das Steuer hinauf in den Rauchfang,
Und es ruhte der Stiere und fleißigen Maultiere Arbeit.
Aber Zeus verbarg die Nahrung grollenden Herzens,
Weil ihn einst getäuscht der hinterlistige Prometheus;
Deshalb bestimmte sein Sinn den Menschen Trübsal und Elend; […]“

Hes. erg. 42-49 (Übersetzung Th. von Scheffer)

Das Wort „Arbeit“ ist in der Antike eher negativ konnotiert: πόνος, μόχθος; neutraler das ἔργον für das fertige Werk; τέχνη bezeichnet die Tätigkeit, technische Fertigkeit, auch Kunst.

Xenophon über positive Seiten der Landwirtschaft

„Es scheint die Beschäftigung mit der Landwirtschaft zugleich ein gewisses Wohlbehagen, eine Vermehrung des Hauswesens und eine Ertüchtigung des Körpers zu sein, um (all das) tun zu können, was einem freien Manne zukommt. Erstens nämlich bringt die Erde denen, die sie bebauen, das hervor, wovon die Menschen leben, außerdem liefert sie noch dazum woran sie ihre Freude haben. […] Wenngleich die Landwritschaft aber ihre Güter im größten Überfluss gewährt, läßt sie doch nicht zu, diese ohne Mühe zu erlangen, sondern gewöhnt daran, die Kälte des Winters ebenso wie die Hitze des Sommers zu ertragen. Und denjenigen, die ihr Feld eigenhändig bestellen, auferlegt sie körperliche Übungen und erhöht so ihre Stärke, diejenigen aber, die einem landwirtschaftlichen Betrieb vorstehen, härtet sie ab, indem sie diese früh am Morgen aufstehen lässt und sie zwingt, ständig unterwegs zu sein.“

Xen. oik. 5,2–4 (Übersetzung K. Meyer, modifiziert)

Aristoteles über die ideale Zusammensetzung der Bürgerschaft

„In dem Staat, der sich der besten politischen Verhältnisse erfreut und der Männer besitzt, die schlechthin, und nicht nur nach einer bestimmten Norm gerecht sind, dürfen die Bürger weder das Leben von Handwerkern noch Händlern führen, denn das ist von gemeiner Art und steht (der Ausbildung) guter menschlicher Qualitäten entgegen. Wer (Bürger) sein soll, darf auch nicht Ackerbauer sein; denn zur Ausbildung guter menschlicher Qualitäten und für politische Aufgaben braucht man Muße.“

Aristot. pol. 7,9 (=1328b–1329a) (Übersetzung E. Schütrumpf)

Das Wort „Arbeit“ ist in der Antike eher negativ konnotiert: πόνος, μόχθος; neutraler das ἔργον für das fertige Werk; Terminologie für Handwerker: βάναυσος als Adjektiv eher negativ konnotiert (auch unwürdig, vulgär; Abqualifizierung der Handwerker als soziale Gruppe)

Xenophon über den schlechten Ruf der handwerklichen Berufe

„Denn gerade die sogenannten handwerklichen Berufe sind verrufen und werden aus guten Gründen in den Städten besonders verachtet. Sie schädigen nämlich die Körper der Arbeiter und Aufseher, indem sie diese zwingen, zu sitzen und unter einem Dach zu arbeiten; manche nötigen sogar dazu, den ganzen Tag vor dem Feuer zuzubringen. Sind die Körper aber erst verweichlicht, werden auch die Seelen anfälliger für Krankheiten. Auch gewähren die sogenannten handwerklichen Berufe am wenigsten freie Zeit, sich noch um Freunde oder den Staat zu kümmern, sodass solche Leute unbrauchbar zu sein scheinen für geselligen Umgang und zur Verteidigung des Vaterlandes.“

Xen. oik. 4,2 (Übersetzung K. Meyer, modifiziert)
Schmied bei der Arbeit: Attische Trinkschale,  um 510 – 500 v. Chr., Staatliche Museen zu Berlin Antikensammlung Inv 1980.7
© Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin (CC BY-NC-SA), hier zum Objekt

Konkurrenz zwischen Töpfern

Aufschrift auf rotfiguriger Amphora des Vasenmalers Euthymides
Athen, um 510 v. Chr.; heute in München, Staatliche Antikensammlungen Inv. 2307

„Wie niemals Euphronios.“

Staatliche Antikensammlungen Inv. 2307 (Übersetzung M. Steinhart)

Zum Objekt: Staatliche Antikensammlungen Inv. 2307;
Vgl. dazu Steinhart 2017, Nr. 13; Engelmann 1987.

Basis einer Weihung an Athena des Töpfers Euphronios (IG I3 824)

„Euphronios weihte […], der Töpfer, der Athena den Zehnten (seiner Einkünfte).“

A Z. 1–2 (Übersetzung J. G. Schneider)

Töpferwerke des Töpfers Euphronios, z.B. Sarpedon-Krater des Euphronios (als Maler signiert, Signatur: EUPHRONIOS EGRAPHSEN, hier oben rechts), zum Objekt (hier)

Stolz der Arbeiter

Der Stolz eines Bergwerkssklaven 
Athen, 2. Hälfte 4. Jahrhundert. v. Chr.

„Der Bergmann Atotas. Vom Pontus Euxinos ein Paphlagoner, der großgesinnte Atotas, ließ fern seiner Heimat den Leib von Mühen ruhen. An Kunst nahm es keiner (mit mir) auf; von des Pylaimenes Stamme bin ich, der von Achilleus‘ Hand bezwungen fiel.“

IG II2 10051 (Übersetzung S. Lauffer)

Der Stolz eines Holzfällers

„Von den Phrygern der Trefflichste im weiten Athen war Mannes Orymaios, dessen schönes Grabmal dies ist. Und ich habe, bei Zeus, keinen besseren Holzfäller als mich selbst gesehen. Er starb im Kriege“

(Übersetzung B. Bäbler)

Xenophon über die Vorteile der Arbeitsteilung in Städten

„In den kleinen Städten stellen dieselben Handwerker ein Bett, eine Tür, einen Pflug, einen Tisch her, und oft baut derselbe Mann auch noch ein Haus und ist froh, wenn er auf diese Weise genug Arbeitgeber gewinnt, von denen er sich ernähren kann. Folglich ist es unmöglich, dass ein Mensch, der so viele Künste ausübt, alles richtig macht. In den grossen Städten dagegen, wo viele Menschen jeden einzelnen Gegenstand benötigen, reicht dem einzelnen Handwerker schon ein einziges Handwerk, um davon leben zu können. Oft ist es sogar nicht einmal ein ganzes Handwerk, sondern der eine macht Männerschuhe, der andere Frauenschuhe. Es gibt sogar Orte, wo sich der eine nur mit dem Nähen von Schuhen ernährt, der andere mit dem Abschneiden des Leders, der nächste mit dem Zuschneiden des Oberleders, der nächste damit, dass er keine dieser Arbeiten verrichtet, sondern alles nur zusammensetzt. Daraus folgt unweigerlich, dass derjenige, der sich mit der am engsten begrenzten Arbeit beschäftigt, diese zwangsläufig auch am besten verrichtet.“

Xen. kyr. 8, 2 5 (Übersetzung R. Nickel)

cf. Die division of labour in Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776)

Unterschiedliche Berufsgruppen erhalten das Attische Bürgerrecht nach der Schlacht von Munichia (401/0 v. Chr.)

Sokrates, Tischler; Sosibios, Schuhverkäufer; Hermon, Krämer; Gerys, Gemüseverkäufer (Kolumne 3, Z.10–14)
Chairedemos, Landarbeiter; Leptines, Koch; Demetrios, Zimmermann; Euphorion, Maultiertreiber, Kephisodoros, Bauarbeiter; Hegesias, Gärtner; Epaminon, Eseltreiber; -opos, Olivenverkäufer. (Kolumne 6, Z. 1–8)

Osborne – Rhodes, Nr. 4 (Übersetzungen J. G. Schneider)
  • Metöken, die in Athen arbeiteten und lebten und wegen ihrer Unterstützung in einer Krisensituation das Bürgerrecht bekommen haben;
  • Griechische und kleinasiatische Namen, z. T. wohl auch Sklaven oder Freigelassene

Liste aller Berufe, die in der Inschrift erwähnt werden:

Gerber, Krämer, Nussverkäufer, Gerstengrützeverkäufer, Segelmacher, Sattler, Sacktuchmacher, Tischler, Schuhverkäufer, Gemüseverkäufer, Landarbeiter, Zwiebelverkäufer, Wagenbauer, Händler, Bote, Ziegeldecker, Bronzeschmid, Fischer, Wollverkäufer, Walker, Weihrauchhändler, Maultiertreiber, Koch, Zimmermann, Gärtner, Eseltreiber, Steinmetz, Feigenverkäufer

Olivenernte: Amphore, 520 v. Chr., Antimenes-Maler, British Museum Inv. 1837,0609.42
© British Museum (CC BY-NC-SA 4.0), hier zum Objekt

Löhne für das Kannelieren der Säulen des Erechtheion

Athener Akropolis (408/7 v. Chr.)

„Die nächstfolgende (Säule): Simias, wohnhaft in Alopeke: 7 dr. 1 ob.; Kerdon: 7 dr. 1 ob.; Sindron, (Sklave) des Simias: 7 dr. 1 ob.; Sokles, (Sklave) des Axiopeithes: 7 dr. 1 ob.; Sannion, (Sklave) des Simias: 7 dr. 1 ob.; Epigenes, (Sklave) des Simias: 7 dr. 1 ob.; Sosandros: 7 dr.“

IG I3 476, Kolumne 1 Z. 87–92 (Übersetzung: K. Hallof)

Link zur Übersetzung: http://telota.bbaw.de/ig/digitale-edition/inschrift/IG%20I³%20476
Link auf AIO: https://www.atticinscriptions.com/inscription/IGI3/476

  • Die Arbeitsleistung kann nicht genau ermessen werden; Gruppen, die vorherigen Säule kanellieren, erhalten jeweils 10 Drachmen; die vorliegende Säule dürfte daher schon in fortgeschrittenem Zustand gewesen sein.
  • Athen: Fachwissen und Arbeitsleistung von Freien und Unfreien sind hier gleichermaßen entlohnt. Der attische Staat bezahlt nicht nach sozialen Kriterien, sondern nach Arbeitsleistung.

Lehrvertrag über die Ausbildung einer Sklavin zur Weberin

Oxyrhynchos in Ägypten (2. Jahrhundert n. Chr.)

„Platonis, auch Ophelia genannt, hat dem Nukis ihre Sklavin, die noch nicht erwachsene Thermution, übergeben zum Erlernen der Weberei auf die Zeit von vier Jahren, vom Neumond des Monats Tybi an in diesem laufenden Jahre, unter der Bedingung, dass sie (d. h. Platonis) das Mädchen nährt und kleidet und dass es dem Lehrmeister zur Verfügung gestellt wird, jeden Tag vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne, und dass die Sklavin alles ausführen wird, was ihr von ihm als zu besagtem Handwerk gehörig aufgetragen wird, bei einem monatlichen Lohn von 8 Drachmen im Jahr, im zweiten Jahr ebenfalls monatlich zu zahlen 12 Drachmen, im dritten Jahr ebenfalls monatlich zu zahlen 16 Drachmen und im 4. Jahr ebenfalls monatlich zu zahlen 20 Drachmen. Das Mädchen soll in jedem Jahr aus Anlass der Feste 18 arbeitsfreie Tage bekommen; wenn es aber an irgendwelchen Tagen die Arbeit aussetzt oder krank ist, soll es nach Ablauf der Lehrzeit ebenso viele Tage bei dem Lehrmeister bleiben. Die Gebühren aber für das Handwerk und für die Verdingung fallen zu Lasten des Lehrmeisters.“

P.Oxy. XIV 1647, Z. 8–47 (Übersetzung H. Thierfelder)

Deutung: Sklavin erhält den Lohn und trägt gewisses Maß an Eigenverantwortung (wenn sie der Arbeit fern bleibt, muss sie nachsitzen)

Frauen beim Weben: Lekythos, 550 –530 v. Chr., Amasis-Maler, Metropolitan Museum of Art Inv. 31.11.10
© Metropolitan Museum of Art (Public Domain), hier zum Objekt

Quelleneditionen

  • Aristoteles, Politik. Übersetzt von Eckart Schütrumpf, Hamburg 2019.
  • Hesiod, Sämtliche Werke. Deutsch von Thassilo von Scheffer, mit einer Übersetzung der Bruchstücke aus den Frauenkatalogen, herausgegeben von Ernst Günther Schmidt (Bremen 1965).
  • P. J. Rhodes – R. Osborne, Greek Historical Inscriptions 404–323 BC (Oxford 2003).
  • Xenophon, Die Erziehung des Kyros. Griechisch – deutsch, herausgegeben und übersetzt von Rainer Nickel (München 1992).
  • Xenophon, Oikonomikos. Übersetzung und Kommentar von Klaus Meyer (Westerburg 1975).

Sekundärliteratur

  • K. Ebert, Die Arbeitswelt der Antike, Wien u.a. 1984.
  • E. M. Harris, Workshop, Marketplace and Household. The Nature of Technical Specialization in Classical Athens and its Influence on Economy and Society, in: P. Cartledge (Hrsg.), Money, Labour and Land. Approaches to the Economies of Ancient Greece (London u.a. 2001) 67–99.
  • S. Lauffer, Die Bergwerkssklaven von Laureion (Wiesbaden 21979).
  • H. Thierfelder, Unbekannte antike Welt. Eine Darstellung nach Papyrusurkunden (Gütersloh 1963).
  • Ch. Meier, Griechische Arbeitsauffassung in archaischer und klassischer Zeit. Praxis, Ideologie, Philosophie. Weiterer Zusammenhang, in: M. Bierwisch (Hrsg.), Die Rolle der Arbeit in verschiedenen Epochen und Kulturen (Berlin 2003) 19–76.
  • H. Engelmann, ‚Wie nie Euphronios‘.(Euthymides, Amphora München 2307), ZPE 68, 1987, 129–134.
  • R. H. Randall, The Erechtheurn Workmen, AJA 57, 1953, 199–210.