Diebstahl, Schmuggel & Mord — das alles gab es schon in der Antike. Als Betroffene*r konnte man sich an die Polizei mit einer Anzeige auf einem Papyrus wenden. Aber auch von Polizeigewalt und Korruption wissen wir hier schon! Unser Gast Julian Schneider berichtet uns von aufregenden Kriminalfällen aus dem antiken Ägypten und warum hier gerade Papyri als Quellen so spannend sind.
Folge 20 von Ausgesprochen Alt.
Über diese Quellen sprechen wir in der Folge:
SB 18 Nr. 13160 (ed. pr. Fackelmann 1986), 16.4. 244 v. Chr. oder 10.4. 219 v. Chr.: Anzeige wegen Einbruchdiebstahl
Im 3. Jahr, im 26. Mecheir. Anzeige an Hores, S. d. Peteuris, den Polizistenvon Moēris, von Stotoetis, S. d. Phanes, von den katoikoi von Moēris. Am 15. des oben geschriebenen Monats, als wir zur späten Stunde dort im Heiligtum von Helios waren, drangen irgendwelche in mein Haus ein und, indem sie die Tür des Hausdaches aufbrachen, stiegen sie hinunter und machten sich davon im Besitz eines syrischen Frauengewandes im Wert von 34 (Drachmen), eines neuen Männerhimations im Wert von 30 (Drachmen), eines Messers im Wert von 12 (Drachmen) und eines Bechers im Wert von 6 (Drachmen), sodass dies (insgesamt) 82 (Drachmen) ergibt. Da ich nun die Polizistendes Dorfes zu meiner Wohnung geholt und gezeigt habe, reiche ich bei dir diese Anzeige ein, damit du Kenntnis davon hast …
Übersetzung J. Schneider
BGU 8 Nr. 1832, 21.6. 52–50 v. Chr. ? (zitiert nur der Schluss von Z. 13–19): Anzeige wegen Heudiebstahl
[…] Ich fordere, wenn es sich erweist, anzuordnen, dass sie (scil. die Diebe) bei dir erscheinen, und sie in schurkenhassender Weise zur Abschreckung anderer zu verurteilen, mir aber das Heu zurück zu geben oder den Wert, damit ich von dir Hilfe erhalten habe. Gehab dich wohl.
Übersetzung J. Schneider
vgl. https://berlpap.smb.museum/03855/
P.Tebt. III,1 Nr. 797, 2. Jahrhundert v. Chr.: Anzeige wegen Angriff auf einen Priester
An -esis, den Polizeihauptmeistervon Berenikis Thesmophorou und seine Mitpolizisten, von Poregebthis, S. d. …, pastophoros und isionomos von demselben Dorf. Am 15. dieses Monats, als ich in hier (?) im Isieion für den König und die Königin und deren Kinder und Vorfahren opferte, ich mir aber nichts zu Schulden habe kommen lassen, … Perytis, S. d. Perytis … Peitsche und … entriss und die …, als ich aber (um Hilfe) schrie … Papontos, sie aber … entrissen … und mit mehreren Hieben schlugen sie auf mich ein und sie verwundeten mein Schienbein und schlugen auf mein Auge und machten sich davon im Besitz des Honigs und des Leinengewandes im Wert von 2000 (Drachmen) und eines Beutels, in dem 328 Kupfer-(Drachmen) enthalten waren und des bronzenen Altars und des Bechers, die ich am 16. (des Monats) von den isionomoi rückerstattet erhielt. Ich erstatte dir nun (Anzeige), damit du die, die das getan haben, zu Meleagros dem Polizeivorsteherschickst, damit, nachdem die Untersuchung von diesen (scil. Übeltätern) durchgeführt worden ist, mir das Deklarierte rückerstattet werde. Wenn dies geschehen ist …
Übersetzung J. Schneider
P.Heid 9 Nr. 423, 3.6. 158 v. Chr. (zitiert Z. 4–15): Anzeige wegen Einbruchdiebstahl
An Stotoetis, den Dorfschreiber von Tebetny, von Theophilos, Thraker, gemeiner Soldat der (Truppe) des Philotas von Peran. Als am 3. Pachon des 23. (Jahres) irgendwelche zu dem mir gehörenden stathmos, der in Tebetny liegt, kamen und nachdem sie erfahren hatten, dass ich im Heiligtum des Zeus mit meiner Frau und meiner Sklavin war, drehte (einer?) den Riegel der unteren Tür der Treppe des mehrstöckigen Wohnhauses um die 8. Stunde auf, und sie machten sich davon im Besitz meiner unten angegebenen (Gegenstände). Deshalb fordere ich die Zuständigen über diese Angelegenheit zu informieren. 23. (Jahr), 5. Pachon.
Ein neues Männer-himation im Wert von 1’000 (Drachmen), ein halb abgenutzter chiton im Wert von 1’000 (Drachmen), eine halb abgenutzte chlamys im Wert von 1’000 (Drachmen), ein Frauen-himation mit Troddeln im Wert von 3’000 (Drachmen), ein Ohrring von drei (Tetarten) im Wert von 1 (Talent) 600 (Drachmen), eine Halskette im Wert von 1’000 (Drachmen), ein Kopftuch (im Wert von) 4’000 (Drachmen), zwei (Behälter) voll mit Wolle (im Wert von) 1 (Talent), vier Goldfäden (im Wert von) 1’000 (Drachmen), eine kleine Schale (im Wert von) 2’000 (Drachmen), ein Trinkbecher (im Wert von) 2’000 (Drachmen), ein Kugelbecher (im Wert von) 1’000 (Drachmen). Vom Schreiber -seos das in Auftrag gegebenes Gewand werden die Besitzer und das basilikon (?) schätzen. (Ergibt insgesamt) 4 (Talente) 5’600 (Drachmen).
Übersetzung J. Schneider
vgl. https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/p_g_5005
SB 6 Nr. 9068 (ed. pr. Buriks 1946), spätes 3. Jahrhundert v. Chr.: Anzeige wegen Raubüberfall
An Dikaios, den Polizeihauptmeister von Moithymis, von Petosiris, S. d. Thotis, königlicher Bauer vom Dorf Moithymis. Am 25. des Monats Pachōn, um die 2. Stunde abends, als ich im Heiligtum war, drangen irgendwelche in meine Wohnung ein, entrißen meiner Frau Thamous ein Himation im Wert von 200 (Drachmen), und meiner Mutter Augchis ihr Himation im Wert von 400 (Drachmen), und meiner Tochter Thermoutarion ein Leinentuch im Wert von 100 (Drachmen), (ergibt insgesamt) 700 (Drachmen), und mit Messern schlugen sie diese, sodass auch …
Übersetzung J. Schneider
P.Hib. I Nr. 60 (cf. Hengstl 1978, Nr. 51), um 245 v. Chr.: Haftbefehl bei Zahlungsversäumnis
Zenodoros dem Ptolemaios Gruß. Wenn Ktesikles nicht vor der sechsten Stunde des 19. zu Sinarys 20 Drachmen zahlen sollte, so sende ihn rasch mit einem Polizisten. Mach es ja nicht anders. Gehab Dich wohl.
Übersetzung J. Hengstl
P.Hib. I Nr. 59 (cf. Hengstl 1978, Nr. 32), um 245 v. Chr.: Überstellung einer Ölschmugglerin
Zenodoros dem Ptolemaios Gruß. Alsbald wenn Du diesen Brief empfangen hast, überstelle uns unter Bewachung die bei Dir eingelieferte (Frau) mit dem hinterzogenen Öl und sende auch den, (der sie) bei Dir abgeliefert hat. Und wenn Du nicht aufhörst, im Dorfe Übles zu treiben, wirst Du es zu bereuen haben. Gehab Dich wohl. Im x. Jahre, am 10. Epeiph.
Übersetzung J. Hengstl
P.Col.Youtie I Nr. 16, 14. September 109 v. Chr. (?): Anzeige wegen Polizeigewalt
An Ptolemaios, den (königlichen) Verwandten und Strategen, von Petermuthis, dem Sohn des Peteesis, einem Machimos mit sieben Aruren derer, die von Chomenis rekurriert worden sind, und verkrüppeltem Schneider, aus Tebtynis in der Polemonos Meris, wohnhaft in Oxyrhyncha in derselben Meris.
Am 1. Mesore Epagomenai des 8. Jahres ist Dionysios, der Polizeihauptmeister der Meris, zusammen mit Demetrios und Apollonios, dem Eisangeleus, und Teos und Nekthenibis und anderen Polizisten in unser Dorf gekommen, ist in meine Werkstatt eingedrungen, hat mich ergriffen und mich mit Schikanen aller Art, Beleidigungen und Schlägen durch das Dorf bis halbwegs zur Stadt geschleppt, und sie haben mich nicht eher freigegeben, bevor sie nicht 4 Silberdrachmen und 1300 Kupferdrachmen von mir erpresst hatten. Und Pnepheros, einen anderen Machimos, haben sie gezwungen, ihm (sc. dem Dionysios) für mich einen Bankwechsel über 44 Silberdrachmen auf den Namen des Areios, des Epispudastes der Meris, aufzusetzen, und ebendiesen Areios (haben sie veranlasst), ihm die genannten Silberdrachmen vorzustrecken (?); ausserdem trugen sie die in Auftrag gegebenen Kleider, die ich hatte, fort, weil er mich aufgrund meiner Hilflosigkeit und meiner Behinderung gering achtete. (Daher) bitte ich, mich nicht unbeachtet zu lassen, sondern wenn es dir richtig scheint, dich meiner anzunehmen, zu veranlassen, dass … geschickt wird … Wenn dies geschieht, wird mir durch dich geholfen sein.
Im 8. Jahre, am 1. Mesore Epagomenai. Lebe wohl.
Übersetzung nach U. und D. Hagedorn
vgl. http://www.uni-koeln.de/phil-fak/ifa/NRWakademie/papyrologie/Verstreutepub/PK1448r.html
BGU 8 Nr. 1857 (cf. Hengstl 1978, Nr. 48), Mitte 1. Jahrhundert v. Chr.: Eingabe wegen Raubmord
… des gegenwärtigen Jahres … und jener hatte mit uns vereinbart, am gleichen Tag zurückzukehren und als er nicht ankam, suchten wir ihn am 21. und fanden ihn tot in der Gegend von Tebetny, die zerstückelten Glieder des Körpers hingeschleudert auf dem Weg nach Kaine. Wir bitten, falls es Dir gut dünkt, anzuordnen, die am Verlust unseres Bruders und des mitgeführten Esels und von 100 Silberdrachmen Schuldigen zu suchen … seiner Ermordung … Gehab Dich wohl.
Übersetzung J. Hengstl
cf. https://berlpap.smb.museum/03844/ und https://berlpap.smb.museum/17128/
Literatur
Editionen
Die Abkürzungen der Editionen folgen der Checklist of editions of Greek, Latin, Demotic, and Coptic papyri, ostraca and tablets: https://library.duke.edu/rubenstein/scriptorium/papyrus/texts/clist.html
Sekundärliteratur
- J. Bauschatz, The Strong Arm of the Law? Police Corruption in Ptolemaic Egypt, CJ 103 (2007) 13–39. (Online hier abrufbar)
- J. Bauschatz, Law and Enforcement in Ptolemaic Egypt, New York 2013.
- J. Hengstl, Griechische Papyri aus Ägypten als Zeugnisse des öffentlichen und privaten Lebens. Griechisch–deutsch, München 1978.
- M. Hombert, C. Préaux, Recherches sur le Prosangelma à l’époque ptolémaïque, CdÉ 17 (1942), 259–286.
- H. J. Wolff, Das Justziwesen der Ptolemäer, München 1970.