Ausgesprochen Alt. Der Antike Podcast

Folge 36: Sportlich & nackt! Im antiken Gymnasion mit Julian Schneider

Gymnasion ist nicht gleich Gymnasium. Im antiken Gymnasion war man nackt, rein durften nur Männer. Gelernt wurde trotzdem: Vor allem Sport, aber intellektuelle und militärische Übungen standen auch auf dem Lehrplan junger griechischer Männer. Warum man diese Zeit der sog. Ephebie mit der Zeit bei der Bundeswehr vergleichen kann und wieso jeder griechische Stadtstaat mit dem Gymnasion einen Ort dafür haben muss, erklärt uns Julian Schneider in unserer Reihe „Antiker Alltag“.

Folge 36 von Ausgesprochen Alt.

Über diese Quellen sprechen wir diese Folge:

Bedeutung des Gymnasions für die Polis

„Gymnasion und Poliskultur bilden spätestens seit klassischer Zeit eine untrennbare Einheit. Eine Stadt ist von nun an ohne eine derartige Einrichtung kaum denkbar, und umgekehrt formt das Gymnasion einen wichtigen Teil im Leben der Bürger.“

von Hesberg 1995, 13.

Eumenes II. verleiht den Polisstatus an die Siedlung Tyriaion und bewilligt die Einführung des Gymnasions

A Z. 1–13. 24–34: „Zum Guten Glück! König Eumenes den Einwohnern von Toriaion (= Tyriaion). Gruss. Eure Männer Antigenes, Brennos und Heliades, die Ihr geschickt habt, um uns […] zu bitten, dass Euch wegen der für unseren Staat gehegten Loyalität den Polisstatus, (also) sowohl eigene Gesetze als auch ein Gymnasion und was sonst noch dazugehört zugestanden werde. […] Doch in Anbetracht der Loyalität, die Ihr uns gegenüber hegt, und auch unter Beweis gestellt habt zum rechten Zeitpunkt, gewähre ich sowohl Euch als auch den mit Euch zusammenlebenden Einheimischen das Recht, Euch zu einer Stadt zusammenzuschließen und eigene Gesetze anzuwenden. Wenn Ihr gegenwärtig (schon) irgendwelche anwendet, so legt uns diese vor, damit wir prüfen können, dass sie unseren Interessen in keiner Weise widersprechen. Wenn aber nicht, so lasst uns dies wissen; wir werden dann Sorge dafür tragen, dass geeignete (Gesetze) sowohl Rat und Beamte einsetzen als auch das Volk aufteilen, indem sie es in Phylen einordnen, und ein Gymnasium einrichten und Öl an die Jünglinge austeilen.“

B Z. 39–43 :„B König Eumenes grüsst Rat und Volk der Toriaiter. Nachdem wir Euch den Polisstatus und ein Gymnasium gewährt haben, wollen wir nun ein Zeichen unserer Gewogenheit geben, indem wir diese (Gunstbeweise) noch vermehren. Und so geben wir Euch für (zum Kauf für) das Öl vorerst den Ertrag aus dem Amt des Agoranomos […].“

I.Sultan Dağı 393 (kurz nach 188 v. Chr.) (Übersetzung Chr. Mileta, Der König und sein Land. Untersuchungen zur Herrschaft der hellenistischen Monarchen über das königliche Gebiet Kleinasiens und seine Bevölkerung, Berlin 2008, 148 f. Nr. I.12)

Pausanias Beschreibung einer untypischen Stadt u. a. ohne Gymnasion

„Von Chaeronea sind es zwanzig Stadien nach Panopeis, einer phokischen Stadt, wenn man auch einen solchen Ort eine Stadt nennen darf, der weder Amtsgebäude, noch ein Gymnasion, noch ein Theater, noch einen Markt besitzt, nicht einmal Wasser, das in einen Brunnen fließt […].“

Paus. 10,4,1 (2. Jh. n. Chr.) (Übersetzung E. Meyer)

Die Ephebie als Schwelle zum Bürgerrecht am Beispiel Athen

„Wenn die Epheben (Jungmänner) überprüft worden sind [d. h. ob sie freigeboren sind und athenische Eltern haben], versammeln sich ihre Väter phylenweise und wählen unter Eid [… diejenigen], die sie als die besten und geeignetsten erachten, um die Aufsicht über die Epheben zu führen. […] [3] Diese versammeln nun die Epheben und führen sie zunächst durch die Heiligtümer; dann ziehen sie (die Epheben) weiter nach Piräus und versehen den Wachdienst, teils in Munichia, teils in Akte. (Das Volk) wählt außerdem durch Handzeichen zwei Turnlehrer für sie und Ausbilder, die sie lehren, schwerbewaffnet zu kämpfen, den Bogen zu gebrauchen, den Speer zu werfen und den Katapult abzuschießen. Man zahlt den Aufsehern eine Drachme für den Unterhalt und den Epheben je vier Obolen; jeder Aufseher erhält das (Geld) für die Mitglieder seiner Phyle, kauft die Lebensmittel für alle gemeinsam – denn sie speisen phylenweise zusammen – und führt auch über alles übrige Aufsicht. [4] Ihr erstes Jahr verbringen sie also auf diese Art. Im zweiten (Jahr) zeigen sie dem im Theater versammelten Volke ihre Fähigkeit in Militärübungen und erhalten dann von der Stadt einen Schild und einen Speer; danach patrouillieren sie auf dem Lande und verbringen ihre Zeit in den Festungen. [5] Sie tragen während dieses zweijährigen Garnisonsdienstes Kriegsmäntel und sind frei von allen Abgaben. […] Nach Ablauf der zwei Jahre werden sie endlich unter die anderen (Bürger) eingereiht.“

Ps.-Aristot. Ath. pol. 42,2–5 (320er Jahre v. Chr.) (Übersetzung M. Chambers)

Das Gymnasiarchengesetzes von Beroia (vor 148 v. Chr.)

Aus dem Gymnasion ausgeschlossene Personengruppen

B Z. 26–29: „Welche nicht berechtigt sind, Mitglieder zu sein des Gymnasions: Nicht nackt antreten darf im Gymnasion ein Sklave noch ein Freilgelassener, noch deren Söhne noch, wer nicht tauglich ist für die Palaistra, noch ein Prostituierter, noch wer zu den das Krämergewerbe Betreibenden gehört, noch wer betrunken oder von Sinnen ist.“

Züchtigung von ungehorsamen Knaben

B Z. 21–23: „Der Gymnasiarch soll ermächtigt sein, undisziplinierte Knaben auszupeitschen und diejenigen Knabenaufseher (Paidagogoi), welche unfrei sind, die Freien aber mit einer Geldbuße zu belegen.“

Wettkämpfe und Vorführungen

B Z. 23–26: „Unbedingt verlangen soll er (d. h. der Gymnasiarch) ferner von den Knabentrainern (Paidotribai), eine Vorführung der Knaben abzuhalten, dreimal im Jahr, alle vier Monate, und er soll für sie eine Jury einsetzen und den Sieger mit einem Kranz aus Laub bekränzen.“

(Übersetzungen aus HGIÜ Nr. 486)

Epheben werden für Ihre Anwesenheit im Unterricht gelobt

Die Epheben sollen gelobt und bekränzt (?) werden, weil sie „teilgenommen haben an den Lehrveranstaltungen der Philosophen und Rhetorik- und Grammatiklehrern und an allen Vorträgen, die stattgefunden haben […]“.

IG II2 1042 Z. 40–41 (Übersetzung J. G. Schneider). Online bei Attic Inscriptions Online.

Zwei Beispiele für Ephebeninschriften aus Athen

Quelleneditionen und Übersetzungen

  • Pausanias, Beschreibung Griechenlands. Neu übersetzt, mit einer Einleitung und erklärenden Anmerkungen versehen von Ernst Meyer, Zürich / Stuttgart 21967.
  • L. Jonnes, The Inscriptions from Sultan DağI I (Philomelion, Thymbrion/Hadrianopolis, Tyraion), IK 62, Bonn 2002.
  • Aristoteles, Staat der Athener. Übersetzt und erläutert von Mortimer Chambers, Berlin 1990.
  • Ph. Gauthier, M. Hatzopoulos, La loi gymnasiarchique de Beroia, Athen 1993. [SEG XLIII 381]
  • K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische griechische Inschriften in Übersetzung, Darmstadt 2011. [HGIÜ]

Sekundärliteratur

  • D. Kah (Hrsg.), Das hellenistische Gymnasion. Symposium vom27. bis 30. September 2001 an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, Berlin 2004.
  • Th. R. Henderson, The Springtime of the People. The Athenian Ephebeia and Citizen Training from Lykourgos to Augustus, Leiden/Boston 2020.
  • H. v. Hesberg, Das griechische Gymnasion im 2. Jh. v. Chr., in: M. Wörrle, P. Zanker (Hrsg.), Stadtbild und Bürgerbild, Kolloquium, München, 24. bis 26. Juni 1993, München 1995, 13–27.
  • N. M. Kennell, The Ephebeia in the Hellenistic Period, in: W. Martin Bloomer (Hrsg.), A Companion to Ancient Education, Malden / Oxford 2015, 172–183.
  • E. Perrin-Saminadayar, Éducation, culture et société à Athènes: les acteurs de la vie culturelle athénienne (229-88). Un tout petit monde, Paris 2007.